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Grattleroper - Schauspieler Dieter Fischer bei Premiere

Hätte der Kaiser von Schexing (Dieter Fischer) einen Hut aufgehat, er hätte ihn bestimmt gezogen - schwungvoll und weit ausholend, wei sich das für Majestät geziemt. Der bekannte Schauspieler aus der gleichnamigen Fernsehserie ist der Neuwirtbühne seit Langem verbunden und saß auch bei der Premiere der "Grattleroper" am Freitag in "Fröhlich Wirtshaus" unter den atemlos dem Geschehen auf der Bühne folgenden Zuschauern.

Mit dem Kultstück von Gerhard Loew ist die Iberl-Bühne in den 1970er-Jahren berühmt geworden. Es war seit Langem ein Traum von Bühnenchef Sepp Daser, das "bayerische Blues-Musical" auch im Loisachtal aufzuführen. Da Reden das eine ist, Singen aber etwas völlig anderes, war viel Probenarbeit mit Musikpädagogin Luzia Schicker vonnöten, um diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Das Resultat muss sich vor der Iberl-Bühne nicht verstecken.

Die Handlung des Stücks ist einfach gestrickt: Ein Wilderer wird von den gräflichen Jägern umgebracht. Als Täter soll Pasolini, der "Schlawack" und Zigeuner, herhalten. Die Familie des Wilderers, kleine Leute oder Grattler, wie das Schloss-Personal sagt, stehen aber trotz aller Unterwürfigkeit zu ihm. Am Schluss kommt die Wahrheit ans Licht.

Das das - selten bei Mundarttheater - sozialkritische Stück an Brechts Dreigroschenoper erinnert, liegt auch an der Musik von Peter Michael, der wie Kurt Weill munter in vielen Stilrevieren wildert: Tango, Bossanova, Blues, Walzer, Ballade - von allem ist ein bisschen zu hören. Für die Neuwirtbühne war die Musik eigens umarrangiert worden. Großes Kompliment an Angelika Kerfers, die virtuos deutlich machte, welche Klangfülle in einem Akkordeon steckt.

Werden aus guten Schauspielern wirklich gute Sänger, wenn sie nur intensiv üben? Natürlich nicht. Aber genau die Brüchigkeit und Dünnheit oder die mitunter fehlende Tonsicherheit und Stimmumfang machten die Figuren des Stücks unglaublich lebendig und das jeweils dargestellte Lebensschicksal wahrhaftig. Wobei man Stephanie Rehm in der Rolle der aufsässigen Kloahäuslerstochter Maria schon anhörte, dass sie aus der bekannten Garmischer Musiker-Familie stammt. Eine Paraderolle hatte zweifelsohne Oliver Döllinger inne, der den gutmütigen, tapsigen Wildererfreund und Zigeuner Pasolini perfekt verkörperte. Ein Genuss auch Peter Auer als undurchsichtiger Viehhändler, der die Parteien immer gegeneinander auszuspielen versucht. Dieter Bauch und Rosi Lühr mimten sehr eindringlich die an der Ungerechtigkeit der Welt verzweifelten Eltern des erschossenen Wilderers. Den bösen Buben des Stücks, den gräflichen Forstverwalter Stanzlinger, gibt wie immer furios und gekonnt Sepp Daser.

"Umsonst is da Tod, und der kost´s Lebn", singt Dieter Bauch in einem dieser wunderbaren Lieder, die dem Volk der Grattleroper genau aufs Maul schauen. Das Volk im Großweiler Theatersaal war dankbar und spendete den am Freitag auch begeisterten und nicht enden wollenden Beifall. Hatt es doch soeben eine Sternstunde der Neuwirtbühne in jüngster Zeit erlebt.

Christoph Schnitzer, Tölzer Kurier, den 18.10.2010

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